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Long Covid hindert Menschen oft monatelang daran, zu arbeiten. Viele waren es gewohnt, stets Leistung zu erbringen. Sie vermissen die Anerkennung, den Berufsalltag, die Kolleginnen und Kollegen. Die Krankheit scheint sich unabsehbar in die Länge zu ziehen.

Professorin Clara Lehmann macht Betroffenen Mut: „Wir sehen, dass es zwar oft lange dauert – aber die meisten Menschen können wieder in ihren Job zurückkehren“, sagt die Leiterin der Infektionsambulanz des Uniklinikums Köln. Dreieinhalb Monate lang waren Personen mit Long Covid im Durchschnitt krankgeschrieben, berichtet die Techniker Krankenkasse für das Jahr 2021.

Doch wann ist es Zeit für die Rückkehr in den Job? Hilfreich ist es, das mit seiner Ärztin oder seinem Arzt zu besprechen und gemeinsam einen Fahrplan zu erstellen: Mit wie vielen Stunden man wieder einsteigen will und wie das Pensum allmählich gesteigert werden kann.

Was muss der Arbeitgeber für den Gesundheitserhalt tun?

Wer zum Beispiel noch kurzatmig ist, aber im Homeoffice am Computer arbeitet, kann vielleicht schon wieder loslegen. Muss jemand allerdings auf der Baustelle schwer tragen, sollte er zuvor noch weiter gesunden. Wer eine potenziell gefährliche Aufgabe hat, beispielsweise Maschinen bedient, sollte vor einem Wiedereinstieg mit dem betriebsärztlichen Dienst oder den Vorgesetzten sprechen.

„Wichtig zu wissen ist: Der Arbeitgeber ist für den Erhalt von Gesundheit und Arbeitsfähigkeit seiner Angestellten verantwortlich“, sagt Jana Wömpner, Juristin beim Deutschen Gewerkschaftsbund. „Nach einer gewissen Krankheitszeit muss er sehen, was er tun kann, um dem Angestellten das Arbeiten wieder zu ermöglichen.“ Betroffene sollten offen sagen, was sie brauchen, um wieder arbeiten zu können. Es kann sein, dass sie nur noch Tag-, aber keinen Schichtdienst mehr verrichten können, dass sie mehr Pausen und Unterstützung brauchen, eine geringere Arbeitslast – oder andere Aufgabenfelder.

Haben Arbeitnehmer Anspruch auf Wiedereingliederung?

Rettungskräfte etwa können vorübergehend im Verwaltungsdienst statt im Einsatz arbeiten, Fachkräfte statt am Band in der Qualitätskontrolle. Dies alles kann in einem Gespräch zum „Betrieblichen Eingliederungsmanagement“, kurz BEM, abgestimmt werden. Auf ein BEM haben Angestellte Anspruch, wenn sie innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig waren. „Wie solch ein Wiedereingliederungsmanagement ablaufen muss, dazu fehlen aber klare rechtliche Vorgaben“, so Wömpner.

Größere Unternehmen haben dafür oft ausgeklügelte Konzepte. Anderswo müssen Betroffene häufig selbst mit der Chefin oder dem Chef vereinbaren, wie es weitergeht. Umso wichtiger ist da, vorab einen Plan erarbeitet zu haben. Anlaufstellen dafür sind auch die eigene Krankenkasse, der Betriebsrat, eine Gewerkschaft oder die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung.

Langsam anfangen! Das hilft ganz unabhängig von der Art des Jobs. „Es ist wichtig, dass man sich nicht überfordert“, mahnt Lehmann. Am besten mit wenigen Stunden am Tag einsteigen. „Einige versuchen dann, in der wenigen Zeit besonders intensiv zu arbeiten“, schildert sie. „Das sollte man vermeiden, denn das mündet oft wieder in die Erschöpfung.“

Wie kann man die Wiedereingliederung erleichtern?

Die Müdigkeit bei Long Covid verläuft typischerweise in Wellen. Mal geht etwas mehr, mal etwas weniger. Ärztin Lehmann nennt Warnzeichen dafür, dass man sich gerade überfordert: „Wenn ich nach der Arbeit überhaupt nicht mehr vom Sofa aufstehen oder keinen klaren Gedanken mehr fassen kann, gilt es, wieder etwas zurückzuschrauben.“ Während einer Wiedereingliederung kann man in Absprache mit den Vorgesetzten die Stundenanzahl reduzieren und später wieder erhöhen – mit einem entsprechenden ärztlichen Attest.

Wer seinen Vorgesetzten vertraut, kann offen mit ihnen sprechen. Es ist zudem hilfreich, mit den Kolleginnen und Kollegen zu reden. So verstehen sie einen besser und bekommen nicht das Gefühl, man wolle nicht arbeiten. Long Covid gehört zu den unsichtbaren Erkrankungen. Umso wichtiger ist es, im Austausch zu bleiben. Fehlt dieses Vertrauensverhältnis, kann man sich bei Problemen in größeren Unternehmen vom betrieblichen Gesundheitsmanagement beraten lassen, von Verbänden oder Anwältinnen und Anwälten, die auf Arbeitsrecht spezialisiert sind.

Was ist bei Kündigungen in der Krankheitsphase ratsam?

Generell ist es wichtig, auch während des Ausfalls mit dem Arbeitgeber in Kontakt zu bleiben. „Besorgen Sie sich immer fristgerecht Ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und lassen Sie diese dem Arbeitgeber zukommen“, rät Wömpner. „Nehmen Sie Gesprächsangebote von Ihrem Vorgesetzten wahr, aber erzählen Sie nur so viel von Ihrer Krankengeschichte, wie Sie möchten.“

Häufig sei es ratsam, Long Covid als Stichwort zu erwähnen. Man muss aber überhaupt keine Angaben darüber machen. „Eines sollte man in solchen Gesprächen nie sagen“, warnt Juristin Wömpner. „Dass man sich gar nicht vorstellen kann, je wieder zu arbeiten oder etwas in dieser Art.“ Steht eine permanente Arbeitsunfähigkeit im Raum, ist dies ein Kündigungsgrund.

Bei Kündigungen in der Krankheitsphase rät Wömpner, einen Widerspruch zu prüfen. Bei falschem Kündigungsgrund, nicht eingehaltener Kündigungsfrist oder Formfehlern hat dieser oft Erfolg. Man muss ihn schriftlich binnen drei Wochen nach Eingang der Kündigung dem Arbeitgeber zusenden. Wenn möglich, sollte man sich anwaltlich beraten lassen. Auch die Gewerkschaften helfen in solch einem Fall weiter.

Wie lange bekomme ich Krankengeld?

Wer nach vielen Monaten immer noch nicht arbeiten kann, ist mit einem neuen Problem konfrontiert. Denn Krankengeld kann man maximal eineinhalb Jahre lang beziehen. Danach gibt es die Möglichkeit, bei der Deutschen Rentenversicherung eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen. Diese wird in der Regel erst einmal befristet gewährt.

Für Beamtinnen und Beamte wiederum gilt: Anstelle von Krankengeld bekommen sie weiterhin ihre Bezüge, und das ohne Enddatum. Auch wenn Long Covid als Berufskrankheit anerkannt wird, etwa bei Pflegekräften und Erzieherinnen, ist alles etwas anders. Betroffene haben dann Anspruch auf Unterstützung durch die gesetzliche Unfallversicherung, etwa auf eine medizinische Rehabilitation oder Leistungen zur beruflichen Teilhabe.

Eines ist sicher: Bei Tausenden Menschen, die vorübergehend an Long Covid leiden, und dem gravierenden Fachkräftemangel ist eine möglichst integrative Arbeitswelt für alle wichtig. „Vielleicht ist Long Covid ja ein Anstoß dafür, dass sich die Leistungsgesellschaft in eine Gesellschaft wandelt, in der nicht immer jeder hundert Prozent geben muss“, sagt Clara Lehmann.

Für Long-Covid-Patienten gibt es inzwischen spezialisierte Reha-Kliniken – der Bedarf ist groß.

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Quellen:

  • Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein: Arbeitnehmer muss Arbeitsunfähigkeit umgehend mitteilen. https://www.ihk.de/... (Abgerufen am 25.05.2023)
  • IG Metall: Kündigung aufgrund und während Krankheit. https://www.igmetall.de/... (Abgerufen am 25.05.2023)
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Long Covid als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall. https://www.longcovid-info.de/... (Abgerufen am 25.05.2023)
  • Techniker Krankenkasse: TK-Gesundheitsreport: Long-Covid-Betroffene im Schnitt mehr als 100 Tage krankgeschrieben. https://www.tk.de/... (Abgerufen am 25.05.2023)