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Das sollten Sie wissen

  • Künstliche Intelligenz (KI) kann Hautkrebs mittlerweile besser identifizieren als Dermatolog:innen. Das gilt aber noch nicht für Hautkrebs-Apps
  • Eine Alternative sind Teledermatologie-Apps, hinter denen nicht KI, sondern echte Hautärzt:innen stehen
  • In Zukunft wird KI als Assistenzsystem für Haut- und Hausärzt:innen eine große Rolle spielen

Sie heißen "Skin Screener", "Hautkrebs-Check" oder "SkinVisions": Apps, die versprechen, anhand von Fotos erkennen zu können, ob eine Hautveränderung gut- oder bösartig ist. Einfach Hautfleck aus mehreren Perspektiven fotografieren, hochladen und abwarten. Künstliche Intelligenz liefert das Ergebnis nach wenigen Minuten – mit "beeindruckenden 95% Genauigkeit", wie manche App wirbt.

Was Hautkrebs-Apps können

Der Markt der Hautkrebs-Apps wächst rasant. Die Vorteile einer digitalen Alternative zum Praxisbesuch liegen schließlich nicht nur in der Pandemie auf der Hand: kein monatelanges Warten mehr auf einen Termin, der Check dauert kaum fünf Minuten und ist rund um die Uhr möglich. Und wenn es um Hautflecken an schambehafteten Körperstellen geht, ist die Hemmschwelle bei einer App nicht so groß.

Hautscreening-Apps im Test

Die Stiftung Warentest hat 17 Haut-Screening-Apps geprüft - 8 für Android, 9 für iOS (Ausgabe 1/2023).

Das Ergebnis: Am ehesten sind arztbasierte Apps mit einem Besuch beim Hautarzt vergleichbar. Denn zum Teil liefern sie Diagnosen und Informationen zu möglichen Ursachen der Hautveränderung. Einige Apps bieten zudem Privatrezepte für Medikamente an, die Linderung schaffen sollen.

Was kosten die Apps – und wie funktionieren sie?

Bei den meisten arztbasierten Apps im Test zahlt man 20 bis 25 Euro für die Einschätzung einer einzelnen Hautstelle. Auf das Ergebnis wartet man drei Stunden bis zwei Tage lang.Schneller geht es bei algorithmusbasierten Apps: Hier trifft das Ergebnis ein, sobald ein Algorithmus die hochgeladenen Fotos mit Bilddatenbanken abgeglichen hat - zum Teil innerhalb von Sekunden.

Das ist auch günstiger: Bei Apps, die sich allein auf die Erkennung von Hautkrebs spezialisiert haben, kostet eine Beurteilung fünf bis sieben Euro, so die Warentester. Eine der algorithmusbasierten Apps im Test ist sogar kostenlos. Sie liefert allerdings keine individuelle Einschätzung zur auffälligen Hautstelle, sondern nur eine Liste wahrscheinlicher Befunde.

Was taugen die Apps?

Klares Fazit der Warentester: Das Hautkrebsscreening beim Arzt können die Apps nicht ersetzen. Schon alleine weil sie nur Hautstellen einschätzen, die den Betroffenen selbst auffallen, wie der Dermatologe Holger Hänßle in der «Stiftung Warentest» anmerkt. Zwar beurteilen viele Apps die Hautveränderungen richtig, doch hundertprozentig verlässlich sind sie nicht. So bemängelten die Warentester, dass die Apps etwa jeden siebten Hautkrebs nicht erkennen konnten - und den Nutzerinnen und Nutzern so falsche Sicherheit suggerieren.

Welche Apps werden empfohlen?

Am Ende sprechen die Warentester nur für zwei Apps eine Empfehlung aus: die Android- und die iOS-Version von AppDoc, einem arztbasierten Angebot (Note 2,4).

Bestenfalls könnten Hautkrebs-Apps so dazu beitragen, dass Melanome früher erkannt werden. Denn am schwarzen Hautkrebs, der unbehandelt auf andere Organe streut, sterben in Deutschland jedes Jahr ca. 3.800 Menschen.

Hautkrebs-Apps könnten obendrein eine Lösung für den vor allem in ländlichen Gebieten grassierenden Mangel an kassenärztlichen Dermatolog:innen sein: Die Patient:innen müssten dann nur noch im konkreten Verdachtsfall zur nächsten oft weit entfernten Praxis.

KI besser als erfahrene Fachärzt:innen

Tatsächlich sind Algorithmen im Erkennen von Hautkrebs heute schon besser als erfahrene Dermatolog:innen. In einer Heidelberger Studie trat KI gegen 157 Hautärzt:innen zwölf deutscher Unikliniken an. Nur sieben waren besser als die Technologie. Dr. Titus Brinker, Assistenzarzt der Uniklinik Heidelberg sowie KI-Forscher am Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) dämpft dennoch die Erwartungen: "Algorithmen machen dafür Fehler, die Dermatologen nicht passieren würden", sagt er. Bis dato zu viele.

In einer Folgestudie testete Brinkers Team Algorithmen, die schon in der Diagnostik eingesetzt werden. Schon kleinste Änderungen der Belichtung, des Aufnahmewinkels oder leichter Schmutz auf der Linse führten zu Fehldiagnosen. "Algorithmen rechnen nur. Sie diagnostizieren nicht", sagt Brinker. Sein Fazit: Ohne Expertenblick durch einen Hautarzt/eine Hautärztin ist KI noch nicht einsatzfähig. Ideal sei die Kombination aus beidem. App und Arzt/Ärztin liefern die höchste Diagnosegenauigkeit.

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Deutliche Grenzen der Einsatzfähigkeit

Bei Hautkrebs-Apps gibt es mehrere Probleme: Zum einen sind Algorithmen immer nur so gut wie die Bilddatenbanken, mit denen sie beim maschinellen Lernen gefüttert wurden. Hautkrebs-Apps unterliegen auf dem freien Markt aber keiner Prüfung. Außerdem unterscheiden die Diagnosen sich je nach Smartphone-Kamera, Betriebssystem und sogar Update-Version, weiß Brinker. "In zehn Jahren sind Hautkrebs-Apps vielleicht soweit", sagt er. "Aber wenn Anbieter heute mit 95% Genauigkeit werben, sind das verantwortungslose Slogans."

Deutsche Dermatologische Gesellschaft warnt

Dass Hautkrebs-Apps jetzt schon mehr sein können als "reine Health-Anwendungen" verneint auch Prof. Peter Elsner von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). "Solche Apps können dazu beitragen, das Gesundheitsbewusstsein zu steigern", sagt er. Mit "MiiSkin" etwa können Patienten Ganzkörperscans von sich erstellen, Hautveränderungen KI-gestützt besser erkennen und so auch dem Hautarzt helfen.

Die DDG fordert jedoch, dass elektronische Hilfsmittel nach denselben Kriterien geprüft werden müssen, wie Medizinprodukte. "Solange das nicht der Fall ist, werden solche Apps nicht dazu beitragen, den Dermatologen-Mangel zu bekämpfen", sagt Elsner.

Besser: Teledermatologie-App mit Hautarzt statt KI

Eine Alternative sind Apps aus dem Bereich Teledermatologie, die die Benutzenden nicht mit KI, sondern mit echten Hautärzten und -ärztinnen verbinden. Mit "AppDoc" haben die Heidelberger Forschenden als Pioniere eine solche Möglichkeit entwickelt, die als einzige auf dem Markt auch von einer Ärztekammer (Baden-Württemberg) zugelassen worden ist. Die Fotos der User begutachten hier Dermatolog:innen, auch mit KI-Unterstützung. Zum Preis von 24,95 Euro erhalten User in 24 Stunden eine Ersteinschätzung und eine Behandlungsempfehlung. In der Pandemie verdreifachten sich die Nutzungszahlen.

"AppDoc" erhielt 2019 den Innovationspreis des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen (BVDD) – auch wegen dem vorbildlichen Umgang mit der Datensicherheit. Die Nutzenden bleiben komplett anonym. Anders als bei der Konkurrenz aus den App-Stores, die meist umfängliche Daten erhebt, bei zweifelhaftem Datenschutz.

Keine App erspart die Hautkrebsvorsorge

Mit "OnlineDoctor" und "Dermanostic" gibt es mittlerweile weitere Teledermatologie-Angebote, wenngleich die Benutzung hier nicht anonym ist. Den Besuch in der hautärztichen Praxis ersetzen können auch diese Apps auf keinen Fall. Schon allein, weil nur einzelne Flecken zu untersuchen sind, nie der ganze Körper. Sie schließen allenfalls die Lücke zwischen Internetrecherche und Praxisbesuch, das aber mit Erfolg.

Zukunft: KI als Assistent in dermatologischen Praxen

Expert:innen schätzen, dass KI als Assistenzsystem bis 2027 flächendeckend in die dermatologischen Praxen einziehen wird. Das internationale Forschungsnetzwerk Cochrane sieht riesiges Potential zudem bei Hausarztpraxen. Auch sie bieten Hautkrebsvorsorge, aber ohne fachliche Spezialisierung.

Derzeit befindet sich ein Pilotversuch der Uni Tübingen im Abschluss, in dem Hausärzt:innen vor einer Überweisung die Meinung eines/einer Dermatolog:in per Teledermatologie einholen konnten. Wenn KI künftig Hausärzt:innen hilft, bei ihren Diagnosen noch sicherer zu sein, könnte das Win-win für alle sein und sogar eine Lösung für den Dermatolog:innen-Mangel auf dem Land.